Im EU GMP Leitfaden werden Richtlinien zur guten Herstellungspraxis beschrieben (GMP = good manufacturing practice).
Im ersten Anhang (Annex 1) widmet sich der Leitfaden der Herstellung im Sterilbereich und damit den sensibelsten Bereichen der Arzneimittelherstellung. Aber auch Hersteller weniger sensibler Produkte sind eingeladen, sich am Leitfaden zu orientieren, um eine gute Herstellpraxis in Ihrem Betrieb zu etablieren.
Die aktuell gültige Version des europäischen Leitfadens wurde 2008 veröffentlicht [1]. Seitdem hat sich technologisch und prozesstechnisch sehr viel getan, sodass der aktuelle Gesetzestext nun seit einigen Jahren durch entsprechende Gremien in Überarbeitung ist. Die aktuelle Version ist bereits als Entwurfsversion veröffentlicht [2], aber noch nicht Teil der gültigen Gesetzgebung. Dennoch bietet die bereits zugängliche Publikation eine Unterstützung für herstellende Pharmabetriebe und Möglichkeiten, bereits jetzt die Prozesse an die neue Guideline anzupassen und interne Prozesse neu zu denken.
Der Aspekt Reinigung und Desinfektion bekommt im aktuellen Entwurf des ANNEX 1 unter Kapitel l) cleaning and disinfection einen eigenen Bereich in der europäischen Richtlinie und rückt damit die Bedeutung im Rahmen des contamination control Systems weiter in den Vordergrund. In der Version von 2008 sind unter dem Kapitel Betriebshygiene lediglich sehr grobe Richtungen vorgegeben. Auch in Kapiteln, in denen es um Prozesse, Anlagen und Equipment geht, treten vermehrt die Stichworte “cleaning”, “clean”, “cleaned” auf und separieren den Reinigungsschritt zunehmend von der Desinfektion.
Desinfiziert werden muss alles, was sich im Raum befindet, soweit eine Gefahr für das Produkt besteht. Das sind Fussböden, Wände, Decken, Arbeitsflächen, Behälter, Maschinen, Arbeitsgeräte und Transporteinrichtungen wie Rohrleitungen, Schläuche und Transportbänder. Nicht zu vergessen die Gegenstände, die über die Schleusen in den Raum gelangen und zuvor desinfiziert werden müssen, wie z.B. die Roh- und Hilfsstoffe oder Verpackungen.
Schon viele Jahre wenden sich Kunden an uns und sind verunsichert, ob vor der Desinfektion eine Reinigung durchgeführt werden muss oder ob sich dies in einem Schritt erledigen lässt.
Hier betonen wir stets, dass situativ entschieden werden muss. Erst reinigen, dann desinfizieren ist ganz sicher die richtige Methode, wenn Rückstände sichtbar sind und die zu desinfizierende Fläche eine Verschmutzung aufweist. Die auf der Fläche verbleibenden Rückstände können andernfalls eine Barriere zu dem durch die Desinfektion applizierten Wirkstoff bilden [3]. Bei Anwesenheit von organischem Material “verbraucht” sich darüber hinaus noch der Wirkstoff am Substrat anstatt an den Keimen, die es auf der gereinigten Fläche zu desinfizieren gilt [3].
Der neue Entwurf des Annex 1 gibt uns in den genannten Punkten Recht und schreibt dazu “for disinfection to be effective, cleaning to remove surface contamination must be performed first.”
In dem Absatz zur Validierung der erwünschten Wirksamkeit des Reinigungsschrittes wird die Rolle des Reinigens ebenfalls hervorgehoben:
“The cleaning process should be validated so that it can be demonstrated that it:
a) Can remove any residues that would otherwise create a barrier between the sterilizing agent and the equipment surface
b) Prevents chemical and prevents particulate contamination of the product during the process and prior to disinfection.” [1]
Eine Reinigung kann dann ebenfalls wichtig werden, wenn sich über die Zeit auf den Flächen - insbesondere Böden - Rückstände von Desinfektionsmitteln gebildet haben. Wichtig ist hierbei, die Kompatibilität der verwendeten Produkte und Materialien im Blick zu haben. Reiniger zur Verwendung im Reinraum sollten frei sein von Farb- und Duftstoffen und keine kationischen oder anionischen Tenside enthalten, die mit gegenpoligen Tensiden im Desinfektionsmittel reagieren. Dies kann zu starken Klebeeffekten auf den Flächen führen.
Was Sie ausserdem bedenken sollten:
- Mehrfache Umverpackung zum sicheren Einschleusen
- Sterilitätsnachweis (z.B. Bestrahlung)
- Nachweis zur Aufrechterhaltung der Sterilität bei Verwendung im Sprühsystem
Schülke & Mayr AG
Hungerbüelstrasse 22
8500 Frauenfeld
Quellen:
[1] Anlage zur Bekanntmachung des Bundesministeriums für Gesundheit zu § 2 Nr. 3 der Arzneimittel- und Wirkstoffherstellungsverordnung vom 12. März 2008 (BAnz. S.1217) Anhang 1 zum EG-Leitfaden der Guten Herstellungspraxis
[2] Draft Annex 1 : Manufacture of Sterile Products
https://ec.europa.eu/health/medicinal_products/consultations/2020_sterile_medicinal_products_en
[3] Lone Gram, Dorthe Bagge-Ravn, Yoke Yin Ng, Pernille Gymoese, Birte Fonnesbech Vogel,
Influence of food soiling matrix on cleaning and disinfection efficiency on surface attached Listeria monocytogenes, Food Control, Volume 18, Issue 10